Fragenkatalog des Stadtelternbeirat der Landeshaushalt Wiesbaden (StEB)
Die Pandemie hat die Probleme und Defizite hinsichtlich Schule und Bildung – auch in Wiesbaden – noch deutlicher sichtbar gemacht. Die Kommunen haben eine große Verantwortung bei der Gestaltung der Rahmenbedingungen für gutes Lernen. Dies sind insbesondere die Bereiche:
– Digitalisierung der Schulen
– Sanierung der Schulen
– Schulentwicklungsplanung / Neubau von Schulen
– Lernen im Ganztag
– soziales Lernen, individuelle Förderung, Inklusion und Integration
– aktuell: Schule unter Pandemiebedingungen / Corona
Der Stadtelternbeirat der Landeshauptstadt Wiesbaden (StEB) hat die Parteien gefragt:
Wenn Sie in Wiesbaden politische Verantwortung tragen, wie setzen Sie die Prioritäten? Wie setzen Sie sich ganz konkret für die Schulen und die Bildungschancen aller Kinder ein?
- Digitalisierung der Schulen
Wie stärken Sie personell und finanziell die Unterstützung der Wiesbadener Schulen bei der Digitalisierung?
- beim technischen Support der Schüler*innen, Lehrer*innen und der Schulen allgemein?
- bei der Erstellung altersgruppen- und schulformspezifischer pädagogischer Medienbildungskonzepte?
- bei der Bereitstellung der technischen Infrastruktur für ein leistungsfähiges und zuverlässiges Lernportal und Videokonferenzsystem für alle Schulen? – beim Ausbau des schulischen WLANs und der Breitbandanbindung?
- bei der Lehrer*innenfortbildung?
Position der ULW
Neben der zur Verfügungstellung der erforderlichen Hardware ist es absolut dringend notwendig auch Systemadministratoren zur Verfügung zu stellen, damit Lehrer und Lehrer*innen aber auch die Schülerschaft bei der Einrichtung und Anwendung und Wartung der Hardware und bei der Nutzung entsprechend begleitet und unterstützt werden. Sowohl die Lehrer und Lehrerinnen wie aber auch die Schülerschaft bedürfen ausreichende Einweisungen und auch Fortbildung um die dementsprechenden digitale Möglichkeiten auch nutzen zu können. Der Ausbau von WLAN und Breitbandanbindung ist unverzüglich umzusetzen .
Bestehende bürokratische Hindernisse bei dem Abruf von finanziellen Mittel aus dem Digitalpakt Schule müssen umgehend beseitigt werden.
- Schulsanierung
Welchen Stellenwert hat die Sanierung und Instandhaltung der Wiesbadener Schulen für Sie?
- Unterstützen Sie die langfristige Festschreibung einer Summe im Wiesbadener Doppelhaushalt für die Sanierung und Instandhaltung von Schulen?
- Wie stehen Sie zur Verwendung eines Teils der städtischen Rücklagen für Investitionen in Wiesbadener Schulen?
- Wie könnten Ihrer Meinung nach die baulichen Mängeln (inkl. Schadstoffe) an Schulen systematisch erfasst und die Umsetzung der Sanierungsmaßnahmen vorangetrieben und nachgehalten werden?
Position der ULW
Eine langfristige Festschreibung des erforderlichen Finanzierungsvolumens im Doppelhaushalt ist unabdingbar. Eine Verwendung von Rücklagen für Investitionen steht immer unter dem Vorbehalt, dass die Landesregierung den Haushalt der Stadt Wiesbaden genehmigen muss.
Laut dem Bündnis für Schulsanierung gibt es an Wiesbadener Schulen derzeit und immer noch einen Sanierungsstau von mindestens 400 Millionen Euro. Für die reine Erhaltung der Gebäude werden pro Jahr schon mindestens 20 Millionen Euro benötigt. Demgegenüber steht das städtische Gesamtpaket von 27,7 Millionen für zwei Jahre im Haushalt 2020/21. Der Investitionsetat muss hier deutlich erhöht werden.
Wiesbaden braucht, analog zum Integrations- und Pensionsfond, einen zweckgebunden Bildungsfond, in den Kommunen und Land gleichermaßen einzahlen. So können unsere Schulen aus einem bestehenden „Topf“ heraus saniert werden. Wir brauchen in Wiesbaden ein echtes Bündnis für Bildung.
- Schulentwicklungplanung / Neubau von Schulen
- Wie stellen Sie sich die zukünftige Schullandschaft in Wiesbaden vor? Was ist Ihre ‚Vision‘ für zukunftsfähige Schule für alle Schüler*innen in Wiesbaden?
Position der ULW
Wenn man sich Zukunftstrends betrachtet stehen Schulen vor grundlegenden Veränderungen. Diese betreffen die Bildungsinhalte, die Förderung von fächerübergreifenden Kompetenzen, die Bildungsmethoden, die Bewertungsverfahren, die Unterstützung bisher Benachteiligter, die Schulqualität und die Zusammenarbeit mit Eltern und anderen Einrichtungen. Die Bedeutung des Erwerbs von Faktenwissen wird erheblich abnehmen zugunsten der lernmethodischen Fähigkeit, relevante Informationen finden, bewerten und kreativ nutzen zu können, denn nur so wird die Grundlage für lebenslanges Lernen in der Wissensgesellschaft gelegt. Aber auch kommunikative, soziale und personale Fähigkeiten müssen in Zukunft verstärkt gefördert werden. So ist ein kompetenzbasiertes Bildungskonzept von nöten, das auf Schlüsselqualifikationen fokussiert, die im Verlauf des Lebens weiter ausgebaut werden können.
Ferner muss der unterschiedlichen Begabungen besser ausgeschöpft werden – insbesondere das Potenzial von Kindern mit Migrationshintergrund bzw. aus bildungsfernen Schichten: Ferner ist mehr Augenmerk auf hoch begabte Kinder zu legen, die bisher zu häufig nicht bzw. zu spät identifiziert und dementsprechend zu wenig gefördert wurden. Neben entsprechenden Fortbildungen für (Grundschul-) Lehrer*innen müssten hier entsprechende Angeboteweiter ausgebaut werden.
- Werden Sie das Hochbauamt, das Schulamt und die städtischen Gesellschaften personell so ausstatten, dass das erforderliche Bauvolumen geplant und bewältigt werden kann?
Position der ULW
Eine große Schwierigkeit bei der personellen Ausstattung besteht durch den schwierigen Arbeitsmarkt bei Architekten und Bauingenieuren. Hier bedarf es attraktive Personalgewinnungskonzepte, um konkurrenzfähig gegenüber der freien Wirtschaft zu sein.
- Wie stehen Sie zu ‚ÖPP‘- und ‚PPP‘-Modellen im Zusammenhang mit Schulbaumaßnahmen?
Position der ULW
Grundsätzlich sollte der Schulbau in Wiesbaden unter der Regie der Stadt Wiesbaden erfolgen, da private Gesellschaften immer auch das Ziel der Gewinnmaximierung haben, (siehe HSK-Kliniken). Schulbau- und Sanierungsmaßnahmen werden entweder von der Stadt selbst oder der 100 % städtischen Gesellschaft WiBau ausgeführt werden.
Vorangetrieben werden muss in jedem Fall den Neubau eines Gymnasiums und die Erweiterung der Wilhelm-Leuschner Gesamtschule in Kastel, um für die AKK Gebiete gute Angebote an weiterführenden Schulen zu erhalten.
- Wie stehen Sie zu Neubauten weiterer Integrierter Gesamtschulen oder ‚Konzeptschulen‘ in Wiesbaden?
Position der ULW
Ein weiterer Ausbau an integrierten Gesamtschulen oder Konzeptschulen, bei denen auch die Oberstufe mit der Möglichkeit des Abiturs führt zu einer breiteren Schülerstruktur (siehe Angebote in Rheinland-Pfalz).
Neue Schulkonzepte wie Verbund oder Konzeptschulen sind grundsätzlich zu unterstützen.
- Wie stehen Sie zur Thematik Hauptschulklassen an Realschulen?
Position der ULW
Hauptschulklassen an Realschulen bedeuten eine höhere Durchlässigkeit für alle Schulformen.
- Anforderungen an das ‚Lernen im Ganztag‘
- Was ist für Sie ein ‚gutes‘ Mittagessen für Schüler*innen? Wie beurteilen Sie in diesem Zusammenhang die Strategie in Wiesbaden zum Umstellen von Kochen vor Ort in der schuleigenen Küche hin zu Cook & Chill ohne Schulküche?
- Wie stellen Sie zukünftig flächendeckende, qualitativ hochwertige Schulkinderbetreuung mit pädagogisch ausgebildetem Personal sicher?
Position der ULW
Die Gestaltung der Schulverpflegung definiert der DGE-Qualitätsstandard. Dieser besagt im Wesentlichen: jeden Tag Gemüse, Salat oder Rohkost und Trink oder Mineralwasser. Dazu täglich Obst und Milchprodukte, Fleisch maximal zweimal, Seefisch mindestens einmal in der Woche. Das Essverhalten wird heutzutage nicht nur in der Familie, sondern zunehmend auch in der Schule geprägt. Die Mittagsverpflegung kann hier einen wichtigen Beitrag leisten und Vorbild für eine gesunde Ernährung sein, die abwechslungsreich ist und gleichzeitig schmeckt. Die Schulverpflegung kann für Regionalität, Ökologie und Gesundheit sensibilisieren und damit Wertschätzung generieren. Berücksichtigung finden müssen die jeweiligen Bedürfnisse bedingt durch Berücksichtigung durch Allergien, Unverträglichkeiten oder Religionszugehörigkeiten oder Allergien oder andere gesundheitliche Einschränkungen. Ein Mittagessen muss bezahlbar für alle Schülergruppen sein. Erreicht werden könnte dies durch eine Befreiung von der Mehrwertsteuer wenn die Essensverpflegung von der Kommune selbst betrieben würde oder über eine Jugendeinrichtung erfolgen würde.
Grundsätzlich sollte zunächst allen Wiesbadener Schülerinnen und Schülern der Zugang zu einem gesunden Mittagessen gewährt werden. Darüber hinaus sollten die ernährungsphysiologischen Vor- und Nachteile zwischen Cook & Chill-Verfahren und der Zubereitung vor Ort genau analysiert werden und auch in Bezug auf Realisierbarkeit überprüft werden. In jedem Fall gilt es jede Mahlzeit durch frische Komponenten zu ersetzen.
- Anforderungen an soziales Lernen, individuelle Förderung, Inklusion und Integration
Welche Maßnahmen zur Förderung der Inklusion an Wiesbadener Schulen schweben Ihnen vor?
- Wie beurteilen Sie die aktuelle Vergabestrategie bei den Fahrdienstleistungen für Schüler*innen mit besonderen Bedürfnissen?
- Wie möchten Sie zukünftig die Familien bei der Rekrutierung von IHelfer*innen unterstützen?
- Wie möchten Sie zukünftig Schulabgänger*innen mit besonderen Bedürfnissen bei der Arbeitsplatzsuche unterstützen?
- In welchem Umfang und an welchen Schulen würden Sie sich für die Ausweitung der Schulsozialarbeit stark machen?
Position der ULW
Kommunen müssen Reformen in der Schulorganisation anstoßen und ermöglichen. Ob es nun um bauliche Veränderungen oder um Unterrichtskonzepte geht. Sie müssen Lehrerinnen und Lehrer auf die neue Vielfalt in den Klassenzimmern vorbereiten und zusätzlich Sonderpädagoginnen und Sonderpädagogen in den Schulen einsetzen. Dies gelingt nur, mit der Bereitschaft zusätzliche finanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen. Schulsozialarbeit ist an allen Schulformen vorhanden zu sein.
Aber: Geld ist nicht alles. Inklusion ist auch eine Frage der Haltung. Lehrerinnen und Lehrer müssen – ebenso wie die Eltern von Kindern ohne Behinderung – offen für die Veränderungen in der Schule sein und konstruktiv zusammen arbeiten. Der Erfolg von schulischer Inklusion hängt also stark von den Menschen vor Ort ab.
Bauliche Anforderungen: In den Schulen muss sichergestellt sein, dass jedes Kind (mit oder ohne Behinderung) an dem Unterricht teilnehmen kann. Das heißt, dass der Zugang in die Räume barrierefrei ist und auch z.B. Rollstuhlfahrer*innen in die Räume gelangen können. Öffentliche Bauträger müssen sich bei barrierefreien Umbauten besser beraten lassen Auch die Notausgänge müssen frei zugänglich und für jeden Schüler und jede Schülerin begehbar sein. So erscheint es nur logisch, dass ein Fenster als Notausgang ungeeignet wäre, da es für ein/e Rollstuhlfahrer/in unmöglich wäre, diesen zu benutzen. Für die Erreichbarkeit der oberen Etagen müssen Fahrstühle eingebaut, bzw. Auffahrten für Rollstuhlfahrten errichtet werden, Toiletten der Höhe und Sicherheit angepasst werden (für Schüler*innen mit Einschränkungen). Klassenräume müssen so groß sein, dass auch alle Schüler*innen hinein passen und ein angenehmes Lernumfeld geschaffen werden kann
Personelle Veränderungen:
Zudem sollten die lehrenden Fachkräfte besser auf eine Inklusion vorbereitet werden, zum Beispiel in Form von Fortbildungen, Seminaren oder speziellen Schulungen. Für Schüler*innen mit Migrationshintergrund wäre Personal mit Fremdsprachenkenntnissen eine weitere Hilfe. Zudem wäre es von Vorteil für Schüler*innen und Lehrer*innen, wenn die Fachkräfte nur einen Einsatzort hätten und nicht ständig die Schulen wechseln müssten. So können die Schüler*innen eine bessere Beziehung und ein stärkeres Vertrauensverhältnis zu den Lehrer*innen und Fachkräften entwickeln.
Bestehende Berufsberatungsangebote in den Schulen müssen mit Verzahnung der Angebote der Arbeitsagentur und andere Institutionen ausgebaut werden. Jede/r Schulabgänger*in muss rechtzeitig ein für ihn geeignetes Berufsberatungsangebot erhalten und je nach individuellen Erfordernissen engmaschig bei der Suche nach dem passenden Ausbildungsangebot begleitet werden.
- Schule unter Pandemie-Bedingungen
– Welche weiteren Maßnahmen sollte Ihrer Meinung nach die Kommune ergreifen, um mehr Unterricht in den Schulen zu ermöglichen?
● Luftfilteranlagen in allen Klassenräumen
● Schnelltests für Lehrer*innen und weiteres schulisches Personal (2mal pro Woche)
● Schnelltests für Schüler*innen (2mal pro Woche)
- Kompensation von Lernrückständen In fast allen Klassen und Schulformen gibt es Schüler*innen, die durch ein Jahr Pandemie und den damit verbundenen Bildungsausfall extrem ins Hintertreffen geraten sind. Was kann Wiesbaden selber tun, um diese Schüler*innen JETZT aufzufangen?
– Wie stellen Sie sich die Finanzierung und das Personal vor?
- Ferienakademien
- Individuelle Fördermaßnahmen für Schülerinnen und Schülern
- Einbindung privater Nachhilfeinstitute
- Einbindung von Lehramtsstudierenden
- Sonderzuweisung an reguläre Lehrkräfte
Betreuung
Sind Sie bereit, Eltern weiterhin von den Beiträgen für die schulische Betreuung zu entlasten, sofern die Betreuung pandemiebedingt nicht in Anspruch genommen wurde oder wird?
(Aussetzen der Präsenzpflicht bzw. Distanztage im Wechselunterricht)
Schulische Notbetreuung
● Wie stellen Sie sicher, dass sowohl ausreichend Räume als auch ausreichend Personal für die Notbetreuung an Schulen unter Pandemiebedingungen vorhanden sind?
● Sind Sie bereit die Kosten für zusätzliches Personal und zusätzliche Räumlichkeiten der Notbetreuung an Schulen als Kommune zu übernehmen?
Position der ULW
Die Schule und die Bedürfnisse aller Betroffen wie Schüler*innen , Lehrer*innen und die Eltern stehen bislang zu wenig im Fokus der politisch Verantwortlichen. Es ist schon jetzt erkennbar, dass die Auswirkungen für die Schülerschaft dramatisch ist. Notwendig ist die Bereitschaft aller Verantwortlichen an kreativen Lösungen zu arbeiten. Vor dem Hintergrund, dass Distanz Unterricht nicht den gleichen Lernerfolg bedeutet, sind alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um die Schüler aller Klassen wieder in den Präsenz Unterricht zu holen. Dazu gehört zunächst die Ausstattung mit Luftfilteranlagen aller Unterrichtsräume. Im November 2020 haben wir zur Ausstattung der Wiesbadener Schulen mit Luftfiltern eine Anfrage an den Magistrat gestellt. Gleichzeitig muss geprüft werden, ob freistehende Räumlichkeiten wie beispielsweise in Bürgerhäusern oder andere Veranstaltungsräume eingesetzt werden können, um Präsenzunterricht durchzuführen.
Unabdingbare Voraussetzung ist die Kostenlose Einführung von Schnelltests für alle Schüler*innen und Lehrer*innen. hier ist ein umfassendes Konzept erforderlich, um schnell auf entstehende Infektionen reagieren zu können.
Um entstandene Lücken im Lernstoff auszugleichen, sind alle personelle Möglichkeiten auszuschöpfen wie zum Beispiel die Einbindung pensionierter Lehrer, Lehramtsstudenten. Ehrenamtliche Mitarbeiter*innen. Gegebenenfalls auch die Durchführung von Lernplattformen mit Unterstützungsangeboten durch Schüler und Schülerinnen höherer Klassen.
Ein besonderes Augenmerk ist dabei auf Schüler mit Migrationshintergrund zu richten, die schon vor Beginn der Corona- Pandemie Schwierigkeiten im deutschen Schulsystem hatten.
Ferienakademien können ebenso ein gutes Instrument sein. In Betracht kommt dies nicht nur für Lernschwache sondern auch für lernstarke Schüler*innen, um deren Potential weiter zu stärken.
Als letzte Möglichkeit, ist darüber nachzudenken ob schwächeren Schülern die freiwillige Wiederholung des Schuljahres angeboten wird, da mittlerweile fast der Lernstoff von fast 2 Jahren aufzuholen ist.
Es ist darüber nachzudenken, dass ein Fonds auf Landesebene aufgelegt wird, um die Finanzierung aller dieser Möglichkeiten zu gewährleisten.