Korruption im Rathaus?


ULW stellte Anfrage hinsichtlich möglicher Vorteilsnahme von Magistratsmitgliedern

Vor dem Hintergrund aktueller politischer Diskussionen sowie rechtlicher Untersuchungsverfahren über mögliche Korruption Wiesbadener Magistratsmitglieder hat die ULW im April dieses Jahres beim Magistrat schriftlich angefragt (nach § 45 der Geschäftsordnung der Stadtverordnetenversammlung), inwieweit alle haupt- und ehrenamtlichen Stadträte im Zeitraum vom 01.01.2010 bis zum 31.12.2018 von Herrn Ralph Schüler Vorteile erhalten bzw. entgegengenommen haben, beispielsweise in Form von Zuwendungen oder Geschenken. Seit Monaten gibt es einen gesellschaftlichen Diskurs darüber, was in der Beziehung zwischen Politik und Wirtschaft dienstlich ist oder privat. Von zahlreichen Verfehlungen und Vorgängen wird und wurde berichtet, die inzwischen auch staatsanwaltliche Ermittlungen nach sich ziehen und die Wiesbadener Öffentlichkeit schwer beschäftigen.

Sind es Gefälligkeiten, handelt es sich um Vorteilsnahme oder gar schon um Korruption? Die Begrifflichkeiten sind eindeutig definiert. Korruption bezeichnet Bestechlichkeit, Bestechung, Vorteilsannahme und Vorteilsgewährung. Im juristischen Sinn steht Korruption „für den Missbrauch einer Vertrauens­stellung in einer Funktion in Verwaltung, Justiz, Wirtschaft, Politik oder auch in nichtwirtschaftlichen Vereinigungen oder Organisationen, um für sich oder Dritte einen materiellen oder immateriellen Vorteil zu erlangen, auf den kein rechtmäßiger Anspruch besteht.“ Auch wenn bei diesen Begrifflichkeiten kein konkreter Sachverhalt benannt wird, sollten Magistratsmitglieder wissen, was erlaubt ist und was nicht.

Im Rahmen der schriftlichen Anfrage wurden von der Fraktion Einzelanfragen mit den entsprechenden Namen und Parteizugehörigkeiten der Damen und Herren Stadträte formuliert. Eine erste diesbezügliche Anfrage hatten wir bereits im Februar gestellt. Diese wurde jedoch aufgrund fehlender namentlicher Nennung von Betroffenen und eines nicht „konkretisierten Sachverhalts“, wie der Magistrat es formulierte, als rechtlich unzulässig abgeschmettert. Unsere Fragen würden „lediglich der Ausforschung dienen“.

Aber auch die aktuelle Antwort des Magistrats ist ernüchternd und erschreckend zugleich! In der Stellungnahme heißt es erneut, die Fragestellung sei ohne hinreichend konkretisierten Sachverhalt formuliert und deshalb zu pauschal. In der juristischen Argumentation für die „Unzulässigkeit“ der Fragen beruft man sich auf die Verletzung des Persönlichkeitsrechts und ein verfassungsrechtlich geschütztes Selbstbezichtigungsverbot. Soll das heißen – in der logischen Abfolge dieses Gedankens –, um Antworten zu erhalten, müsste künftig gerufen werden: „Freiwillige bitte vor!“?

Schriftliche Anfragen nach § 45 der Geschäftsordnung der Stadtverordnetenversammlung dienen der Überwachung der Verwaltung und Geschäftsführung des Magistrats. Im Auszug aus der aktuellen Antwort des Magistrats liest sich dazu allerdings: „Es ist rechtlich unzulässig, den Magistratsmitgliedern zu gebieten, anzugeben, ob sie ‚Vorteile, die nach dem Beamtengesetz unzulässig sind‘, erhalten bzw. entgegengenommen haben“. Und es heißt weiter, im Hinblick auf die Art. 1 I, 2 I und 20 III GG: „Der Schutz der Beamten gegen Selbstbezichtigungen im Disziplinarverfahren setzt der beamtenrechtlichen Wahrheitspflicht dort Schranken, wo der Betroffene sonst gezwungen wäre, eine von ihm begangene Pflichtwidrigkeit oder Straftat zu offenbaren“. Mag dies juristisch auch „richtig“ sein, ist es doch  Antwort genug und lässt tief blicken!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.