Rede von Veit Wilhelmy (ULW) zur Stadtverordnetenversammlung am 04. April 2019
Es gilt das gesprochene Wort.
Sehr geehrte Frau Stadtverordnetenvorsteherin, sehr geehrte Damen und Herren Stadtverordnete, liebe Kollegen!
Wiesbaden ist beim Thema City-Bahn gespalten. Der Graben zwischen Befürwortern und Gegnern wird immer tiefer. Matthias Laux sprach jüngst im Wiesbadener Kurier (30.03.) sogar von einem „vergifteten Klima“. Jenseits der der hoch emotionalen Debatten um die City-Bahn ist eine verkehrspolitische Wende in Wiesbaden unabdingbar. Die grüne Verkehrspolitik verlagert sich zunehmend auf juristische Winkelzüge, die viel Zeit und Geld kosten, die Stadt spalten, aber wenig Fortschritt bei der Lösung von alltäglichen Verkehrsproblemen bieten. In der Stadtpolitik scheint wenig zusammen zu laufen:
- Der OB versucht, sich über die Zeit und in die Pension zu retten und fällt als Integrationsfigur aus.
- Der Baudezernent ruft in kurzer Folge ein Neubaugebiet nach dem anderen aus: Auf den Eichen am Gräselberg, Waldviertel im Kohlheck, Erbenheim Süd, Ostfeld, Hainweg, Bierstadt Nord, Westcenter/Flachstraße, American Arms Hotel, Wilhelms 9, Schierstein, Kastel. Die Stadt, Vororte und Nachbargemeinden (z.B. Hahn) wollen wachsen und nachverdichten, gleichzeitig aber weniger Verkehr auf den Straßen.
- Der Verkehrsdezernent sucht sein Heil in der Digitalisierung mit einem 30 Millionen € teuren Projekt zur Verkehrssteuerung (Digi-V). Gleichzeitig räumt er aber ein, dass es auch weiterhin Engpässe auf den Straßen geben werde. „Durch das System werden die Straßen ja nicht breiter“, sagte er kürzlich dem Wiesbadener Kurier.
Der verkehrspolitische Antrag der „Kooperation“ für heute, den 4. April 2019 befasst sich mit dem ruhenden Verkehr in Parkhäusern. Schon jetzt hat man oft den Eindruck, dass der Verkehr auf den Straßen der Stadt mehr ruht als fließt. Wenn nicht bald etwas geschieht, haben wir möglicherweise bald nur noch ruhenden Verkehr in der Stadt. Bürger und Politik beklagen Emissionsausstöße durch Autos und Busse sowie verstopfte und überfüllte Verkehrswege in und um Wiesbaden. Der Platz für Busse und Autos ist begrenzt. So werden weder Straßen entlastet noch Staus verhindert.
Die Versäumnisse vergangener Jahrzehnte bei der Verkehrsentwicklung zeigen sich immer deutlicher. Baumaßnahmen sind kaum mehr möglich, ohne zu neuen Infarkten zu führen. Die Zeit drängt. Umsichtiges, wohlüberlegtes und von einem breiten Konsens in der Bürgerschaft getragenes Handeln ist nötig, um die Stadt in Verkehrsbelangen. Die Verkehrsverlagerung auf die Schiene ist unabdingbar. Die Vorteile, vor allem die ökologischen Vorteile, überwiegen die Nachteile.
Als ULW verfolgen wir neuen Ansatz und wollen prüfen inwieweit mit dem vorhandenen Schienennetz durch Verknüpfung mit einem innerstädtischen straßenbahnartigen Gleisabschnitt bzw. –netz ein Optimum an Mobilität für die Region und ihre Menschen erreicht werden kann. Zahlreiche deutsche und europäische Städte liefern uns Vorlagen für ein sinnvolles Schienennetz. Wir sehen im normalspurigen Zwei-System-Stadtbahn-Netz eine gute Alternative zur City-Bahn.
Beipiele für funktionoerende Systeme anderer Städte sind beispielsweise Karlsruhe. Karlsruhe ist Vorreiter im Bereich Tram-Train-Systeme (ab 1958). Weiter zu nennen sind Saarbrücken (1997), Zwickau (1999), Heilbronn (2001), Kassel (2007) und Chemnitz (2016). Die Regionalstadtbahn Neckar-Alb befindet sich derzeit in der Vorbereitung. Es entstehen umsteigefreie Verbindung der Innenstädte von Tübingen und Reutlingen. Schauen wir ins Ausland, dann sind Zwei-System-Stadtbahnen in Wien, Paris, Basel, Mülhausen (Elsass) ganz klar als exemplarische Vorreiter zu betrachten.
Zwei Systeme bedeutet, dass die Züge innerstädtisch als Straßenbahn und außerhalb der Stadt als Eisenbahn verkehren. Als Straßenbahn werden die Fahrzeuge meist mit Gleichstrom betrieben. Als Eisenbahn fahren die Fahrzeuge entweder mit Diesel oder Elektrobetrieb. Künftig ist aber auch der Einsatz der Brennstoffzellentechnik denkbar.
Voraussetzung für die Entwicklung eines solchen Netzes ist in jedem Fall, dass die Straßenbahn die gleiche Spurweite hat, wie die Eisenbahn. Der geplanten Wiesbadener City-Bahn legt die Spurweite der Mainzer Straßenbahn zugrunde. Eine Anbindung an das vorhandene normalspurige Schienennetz (z.B. Ländchesbahn, Taunusbahn, Rheinbahn) scheidet daher aus.
Gefordert ist ein Optimum an Mobilität jedoch unter der Berücksichtigung, dass insbesondere die Stadt von Durchgangsverkehr und Schadstoffen zu entlasten. Eine Alternative zum PKW, die die Region attraktiver machen soll und den Menschen, ihrer Umwelt und künftigen Generationen dienen soll.
Ich danke Ihnen!
Die Stadtverordnetenversammlung möge beschließen:
Der Magistrat wird gebeten,
- zu prüfen, wie ein oben beschriebenes normalspuriges Zwei-System-Stadtbahn-System für Stadt und Region Wiesbaden realisierbar wäre und der Stadtverordnetenversammlung darüber zu berichten. Zeit- und Kostenaspekte sind zumindest grob zu beziffern, ebenso wie Fördermöglichkeiten durch Land und Bund.
- eine erste Grobplanung für einen möglichst oberleitungsfreien Straßenbahnabschnitt, der die Innenstadt mit den vorhandenen Bahnstrecken verbindet, in verschiedenen Varianten vorzulegen. Ein zukünftiges regionales Stadtbahnnetz ist in verschiedenen Varianten und Entwicklungsstufen zu skizzieren. Einzubeziehen sind insbesondere die vorhandenen Bahnstrecken in die Richtungen Frankfurt, Frankfurt-Flughafen und Mainz sowie die ebenfalls vorhandenen Bahnstrecken nach Rüdesheim, Niedernhausen/Limburg und Taunusstein/Bad Schwalbach. Auch die geplante Wallauer Spange ist zu berücksichtigen.
- darzustellen, wie sich Varianten und Entwicklungsstufen eines solchen Zwei-System-Stadtbahnnetzes auf das vorhandene Busnetz und die übrigen Verkehrsströme in Stadt und Region auswirken können.
- in Verbindung mit Ziffer „III“ darzustellen, wie die Mainzer Straßenbahn ein solches System künftig auch rechts des Rheins ergänzen kann, gegebenenfalls nach Bau einer weiteren Rheinbrücke.
bei der Bearbeitung des Themas auch die Erfahrungen der Hessischen Landesbahn GmbH zu berücksichtigen, die diese insbesondere bei Planung, Aufbau und Betrieb des Regio-Tram-Netzes in Kassel sammeln konnte. Bekanntermaßen hat dieses Unternehmen seit kurzem einen Betriebshof in Wiesbaden.