Normalspuriges Zwei-System-Stadtbahnnetz prüfen


Wiesbaden, 27.03.2019 Antrag der Fraktion ULW In vielen deutschen Städten wurden in den vergangenen Jahrzehnten erfolgreich Zwei-System-Stadtbahnsysteme eingeführt. Vorreiter dieser Tram-Train-Systeme war Karlsruhe (ab 1958), später folgten Saarbrücken (1997), Zwickau (1999), Heilbronn (2001), Kassel (2007) und Chemnitz (2016). Mit der Regionalstadtbahn Neckar-Alb befindet sich ein weiteres Netz derzeit in der Vorbereitung, das die Innenstädte von Tübingen und Reutlingen künftig umsteigefrei mit der dortigen Region verbinden soll. Auch im Ausland gibt es zahlreiche Beispiele für Zwei-System-Stadtbahnen, beispielsweise in Wien, Paris, Basel, Mülhausen (Elsass)  etc. Grundidee der genannten Netze ist, auf Schienen ohne Umsteigen aus der Region in die Innenstadt und umgekehrt von der Innenstadt in die Region zu gelangen. Meist wurden vorhandene Straßenbahnnetze mit vorhandenen Regionalbahnnetzen verknüpft. In Saarbrücken und Heilbronn dagegen mussten die Straßenbahnabschnitte durch das Zentrum komplett neu gebaut werden. Auch in Regensburg sollen für die dort geplante Stadtbahn vorhandene Regionalbahnen mit einer neu zu bauenden innerstädtischen Erschließungsstrecke (Länge ca. 6 km) verknüpft werden. Die für Frankfurt geplante Regionaltangente West ist ebenfalls eine Zwei-System-Bahn. Zwei Systeme bedeutet, dass die Züge innerstädtisch als Straßenbahnen und außerhalb der Stadt als Eisenbahn verkehren, jeweils nach der entsprechenden Betriebsordnung. Zwei Systeme gibt es in der Regel auch bei der Energieversorgung. Als Straßenbahnen werden die Fahrzeuge meist mit Gleichstrom mit einer Spannung zwischen 600 und 750 Volt betrieben. Als Eisenbahnen verkehren dieselben Fahrzeuge entweder als Dieseltriebwagen oder als Elektrotriebwagen mit Wechselstrom (meist mit 15 kV Spannung und einer Frequenz von 16,7 Hz). Jedes einzelne Fahrzeug hat demnach zwei verschiedene Antriebe: Gleichstrom + Diesel (E/D-Fahrzeuge) oder Gleichstrom + Wechselstrom (E/E-Fahr-zeuge). Künftig ist auch der Einsatz der Brennstoffzellentechnik denkbar. Dann wäre ggf. nur ein Energieversorgungssystem nötig, da diese Technik sich auch für den innerstädtischen Einsatz eignet. In Regensburg ist ein Diesel-/Akku-Hybridbetrieb ohne Oberleitungen geplant. Voraussetzung für die Entwicklung eines solchen Netzes ist in jedem Fall, dass die  Straßenbahn die gleiche Spurweite hat wie die Eisenbahnen. In jedem der genannten Beispiele ist dies die sogenannte Normalspur (1.435 mm). Eine Ausnahme ist Nordhausen. Dort wurde das meterspurige städtische Straßenbahnnetz mit der Harzer Schmalspurbahn verknüpft. Der geplanten Wiesbadener CityBahn liegt die Spurweite der Mainzer Straßenbahn (1.000 mm) zugrunde. Eine Anbindung an das vorhandene normalspurige Schienennetz (z.B. Ländchesbahn, Taunusbahn, Rheinbahn) scheidet daher aus. Auch die Aartalbahntrasse kann nur genutzt werden, wenn dort zuvor komplett die Spurweite geändert wird. Es gibt Grund zur Besorgnis, dass die bisher ausschließlich verfolgte CityBahn möglicherweise an der fehlenden Zustimmung der Wiesbadener und/oder der Mainzer Bürger scheitert. Aktuell scheint sich der Graben zwischen Befürwortern und Gegnern zunehmend zu vertiefen. Ein erneuter jahrelanger verkehrspolitischer Stillstand könnte die Folge sein. Angesichts der aktuellen Lage, bei der die Stadt täglich vom Verkehrsinfarkt bedroht und teilweise auch schon betroffen ist, erscheint das als nicht vertretbar. Stadt und Region stehen vor einer sehr grundlegenden verkehrspolitischen Weichenstellung. Warum kann es nicht endlich auch in Wiesbaden vorrangig darum gehen, wie mit dem vorhandenen Schienennetz durch Verknüpfung mit einem innerstädtischen straßenbahnartigen Gleisabschnitt (bzw. -netz) unter Berücksichtigung der durchweg positiven Erfahrungen anderer Städte ein Optimum an Mobilität für die Region und ihre Menschen erreicht werden kann? Gilt es nicht, mit möglichst wenig Kosten möglichst schnell neue und attraktive Angebote für den ÖPNV zu schaffen? Diese müssen allerdings echte Alternativen zur PKW-Nutzung darstellen und insbesondere die Stadt vom Durchgangsverkehr und von Schadstoffen und Lärm entlasten. Sie sollen die Region attraktiver machen und sie sollen den Menschen, ihrer Umwelt und künftigen Generationen dienen. Die Stadtverordnetenversammlung möge beschließen: Der Magistrat wird gebeten,
  1. zu prüfen, wie ein oben beschriebenes normalspuriges Zwei-System-Stadtbahn-System für Stadt und Region Wiesbaden realisierbar wäre und der Stadtverordnetenversammlung darüber zu berichten. Zeit- und Kostenaspekte sind zumindest grob zu beziffern, ebenso wie Fördermöglichkeiten durch Land und Bund.
  2. eine erste Grobplanung für einen möglichst oberleitungsfreien Straßenbahnabschnitt, der die Innenstadt mit den vorhandenen Bahnstrecken verbindet, in verschiedenen Varianten vorzulegen. Ein zukünftiges regionales Stadtbahnnetz ist in verschiedenen Varianten und Entwicklungsstufen zu skizzieren. Einzubeziehen sind insbesondere die vorhandenen Bahnstrecken in die Richtungen Frankfurt, Frankfurt-Flughafen und Mainz sowie die ebenfalls vorhandenen Bahnstrecken nach Rüdesheim, Niedernhausen/Limburg und Taunusstein/Bad Schwalbach. Auch die geplante Wallauer Spange ist zu berücksichtigen.
  3. darzustellen, wie sich Varianten und Entwicklungsstufen eines solchen Zwei-System-Stadtbahnnetzes auf das vorhandene Busnetz und die übrigen Verkehrsströme in Stadt und Region auswirken können.
  4. in Verbindung mit Ziffer „III“ darzustellen, wie die Mainzer Straßenbahn ein solches System künftig auch rechts des Rheins ergänzen kann, gegebenenfalls nach Bau einer weiteren Rheinbrücke.
  5. bei der Bearbeitung des Themas auch die Erfahrungen der Hessischen Landesbahn GmbH zu berücksichtigen, die diese insbesondere bei Planung, Aufbau und Betrieb des Regio-Tram-Netzes in Kassel sammeln konnte. Bekanntermaßen hat dieses Unternehmen seit kurzem einen Betriebshof in Wiesbaden
Foto: Lupo / pixelio

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