erschienen e-paper fr-online am 11. Januar 2019
Den Spanienurlaub spendiert
Wiesbaden Ex-Stadtwerkechef zeigt sich selbst an, weil er Gerich Hotel- und Restaurantbesuche gezahlt haben will
VON MADELEINE RECKMANN
Das Durcheinander von Skandalen um Geldtransfers und Einla- dungen, die ein Politiker nicht annehmen sollte, ist um eine Affäre reicher. Dieses Mal ist eine Selbstanzeige des früheren Ge schäftsführers der Wiesbaden Holding WVV, Ralph Schüler, der Auslöser, der Oberbürgermeister Sven Gerich (SPD) in die Bredouille bringen könnte. Der OB muss sich bereits unangenehme Fragen der Stadtverordneten und des Revisionsamts nach Aufenthalten in der Villa des Gastronomen Kuffler in St. Tropez gefallen lassen.
Jetzt geht es um eine sechstägige Reise nach Spanien, die Schüler, seine frühere Lebenspartnerin und das Ehepaar Gerich un ternommen haben und wegen der er womöglich auch der Staats anwaltschaft Rede und Antwort stehen muss. Schüler behauptet, Gerich und seinem Mann Helge übernachtungen in teuren Hotels und Besuche in noblen Restaurants in Cordoba, Malaga und Cadiz im Wert von mehreren Tausend Euro ausgegeben zu haben. Gerich habe nur die Flüge, das Auto und den einen oder anderen Kaffee bezahlt. ,,Wir waren befreundet und Gerich war mein Gast, wie auch sonst oft“, sagt er der FR auf Anfrage. Er sei gerne spendabel.
Der Zeitpunkt der Spanienreise macht hellhörig. Sie fand im April 2014 statt, wenige Tage nach seiner Berufung zum WVV-Geschäftsführer, aber vier Wochen, bevor der Aufsichtsrat mit Gerich als Vorsitzendem die Vertragsbedingungen be schloss. Er habe mit seinen Einladungen während der Spanien reise nicht vorgehabt, den OB oder sich selbst in Schwierigkei ten zu bringen, aber man habe feiern und sich Spanien anschau en wollen, heißt es in der Selbstanzeige, die der FR vorliegt. We sentliche dienstliche Gespräche seien nicht geführt worden. Als Beweis gebe es nur ein Foto, sagt Schüler der FR. Alle anderen habe er auf Bitte Gerichs vernichtet, wie er auch einen Film und Fotos gelöscht habe, die ihm Gerich von Kufflers Anwesen in Frankreich geschickt hatte.
Schüler zeigte sich Ende Dezember auf Anraten seiner Rechts anwälte bei der Wiesbadener Staatsanwaltschaft an, damit ihm bei späteren Ermittlungen kein Schaden erwachse, erklärt er.
Schließlich habe Gerich während der Reise täglich mit seinem Büro telefoniert; es sei bekannt gewesen, mit wem er unterwegs gewesen sei. Nachdem Gerich den kommissarischen Leiter des Revisionsamts versetzt habe, wogegen dieser sich juristisch wehrt, sei ihm die Dringlichkeit bewusst geworden. Jener Mann war zuvor im OB-Büro beschäftigt gewesen.
Schüler war im Dezember wegen des Verdachts, seine Position für eigene Interessen ausgenutzt zu haben, fristlos entlassen worden. Gerich als Aufsichtsratschef hatte Recherchen dazu ge leitet. Schüler will gegen die fristlose Kündigung klagen, um sei ne Reputation wiederherzustellen.
Oberbürgermeister Gerich streitet den gemeinsamen Urlaub mit Schüler nicht ab. Gestern erklärte er schriftlich, er habe „seiner zeit Wert darauf gelegt, dass wir die Kosten teilen, daher habe ich Herrn Schüler aus meiner Sicht offene Gelder in bar ausge händigt“. Dies wird von Schüler der FR gegenüber als unwahr beschrieben. Weiter sieht Gerich in Schülers Aktion einen Ra cheakt. ,,Aus einem gemeinsamen Urlaub wird eine Racheakti on, aus Freundschaft wird Revanche“, titelt er seine persönliche Erklärung. Er sei mit Ralph Schüler befreundet gewesen und ha be mit ihm auch ein längeres Wochenende in Österreich ver bracht.
Im Nachhinein stelle er selbstkritisch fest, dass „ein gemeinsamer Urlaub kurz nach der vom Magistrat beschlossenen Beset zung und vor der Entscheidung des Aufsichtsrats formal unpro blematisch, aber unsensibel war“. Er sei in den ersten Monaten als Oberbürgermeister bezüglich Freundschaften zu Personen der kommunalen Politik „sicher noch blauäugig“ gewesen und er würde „heute anders verfahren“. Im Dezember hatte Gerich auf Anfrage der Rathausfraktion ULW versichert, keine Vorteile von Ralph Schüler angenommen zu haben.
Schüler war auf Wunsch der CDU für die Geschäftsführerpositi on bestimmt worden. Gerich beteuert, der Vorschlag sei unab hängig von seiner persönlichen Beziehung zu Schüler zustande gekommen wie auch dessen Abberufung.
Die Staatsanwaltschaft bestätigt die Selbstanzeige Schülers. Nun werde geprüft, ob ein Ermittlungsverfahren eingeleitet werde. Es könnte um Vorteilsgewährung, Bestechung oder Bestechlichkeit gehen.